Design Thinking im MINT-Unterricht

Design Thinking als kreativer Denkansatz

Design Thinking ist eine kreative Methode, um komplexe Problemstellungen greifbar zu machen und in mehreren iterativen Schritten passende Lösungen zu entwickeln. Die Schülerinnen und Schüler nähern sich dabei einer Aufgabe aus Sicht der Nutzer/-innen. In Gruppenarbeit definieren sie deren Bedürfnisse und sammeln Ideen für die Problembewältigung. Sie überprüfen diese mithilfe von selbst entworfenen Prototypen und beginnen den Prozess erneut, um eine zufriedenstellende Lösung finden. Die Methode fördert Neugier, Engagement und Empathie ebenso wie Innovationsfähigkeit, selbstständiges und kritisches Denken. Diese Kompetenzen spielen gerade in den MINT-Fächern eine wichtige Rolle. Die Lehrkraft führt die Gruppen moderierend und begleitend durch den Design-Thinking-Prozess.

Methode     Medien     Praxisbeispiele     Quellen

Design ist die menschliche Fähigkeit, unsere Umwelt so zu gestalten, dass sie unsere Bedürfnisse berücksichtigt und unserem Leben einen Sinn gibt.

John Heskett


John Heskett, britischer Professor für Design, war davon überzeugt, dass jeder Mensch kreatives Potenzial besitzt. Die Methode Design Thinking fördert kreatives Selbstvertrauen und bringt unsere Innovationskraft mit unserer Lebenswelt und Gesellschaft zusammen.

Der methodische Hintergrund

Design verbindet Form, Funktion und Wirkung von Produkten und Lösungen mit den Wünschen und Bedürfnissen der Nutzer/-innen. Interdisziplinäre Teams befassen sich mit dem Individuum und konzentrieren ihre Kreativität auf die Anforderungen der Zielgruppe.

Dieser Ansatz findet sich auch bei der Anwendung von Design Thinking im Schulkontext. Der Appell lautet: „Macht die Sicht der Nutzer/-innen zu eurer Sache!“ Die Schülerinnen und Schüler sollen im ersten Schritt die Aufgabenstellung verstehen und sich in die Situation der betroffenen Zielgruppe hineinversetzen. Sie sollen deren Bedürfnisse erkennen und sich mit ihnen identifizieren. Erst nach dieser ersten wichtigen Phase erarbeiten die Gruppen Lösungsideen mithilfe von sogenanntem Prototypen. Sie treten in einen kreativen Produktionsprozess ein und gestalten mit selbst gewählten Materialien erste Vorschläge. Dies kann in Form von Skizzen, Modellen, Rollenspielen und vielem mehr umgesetzt werden. Die frühe Entwicklung und Präsentation erster Prototypen erlaubt einen schnellen Abgleich mit der Aufgabe. Zeitnah erkennen die Teams, ob und welche Verbesserungen notwendig sind, und setzen sie bei der Weiterentwicklung des Prototyps sofort um. So nähern sich die Gruppen Schritt für Schritt einer Lösung im Sinne der Nutzer/-innen.

Teamarbeit – am besten in multidisziplinären Gruppen – ist ein wesentlicher Bestandteil im Design-Thinking-Prozess. Dafür ist es hilfreich, so die Überzeugung, wenn unterschiedliche Sichtweisen und Kompetenzen bei der Entwicklung einer Innovation einfließen. Im gemeinsamen Prozess entstehen kreative Ideen, die für die Lösung von Problemen nutzbar gemacht werden können.

Gleichzeitig sind viele unserer globalen Herausforderungen für Einzelne oft schwer zugänglich und überfordernd. Etwa der Klimawandel oder das Thema Nachhaltigkeit, die auch im MINT-Unterricht eine Rolle spielen. Aktuelle Bewegungen wie Fridays for Future zeigen das Potenzial des Teilens von Gedanken, die gemeinsame Weiterentwicklung von Ideen, die Konzentration auf die Bedürfnisse: Es kommt auf jede einzelne Person an, auf die Vielfalt der Argumente und auf kreative Ansätze. Dann können Lösungen in der Gruppe und auf ein Ziel gerichtet ausgearbeitet werden. Wichtig: Es gibt dabei kein Richtig und Falsch. Jede Idee zählt und wird gleich behandelt.

Kompetenzen im MINT-Unterricht fördern und anwenden

Durch die Verknüpfung von MINT-Bildung mit dem Design-Thinking-Prozess werden insbesondere die vier Fertigkeiten und Fähigkeiten der sogenannten 21st Century Skills gefördert, die heute als Schlüsselkompetenzen für Lernende gelten:

  • Kreativität – die Fähigkeit, neue Lösungen für komplexe Herausforderungen zu entwickeln
  • Kritisches Denken – die Fähigkeit, Quellen zu hinterfragen und Vorgaben eigenständig zu überprüfen
  • Kooperation – die Fähigkeit, im Team zu arbeiten und anderen zu vertrauen
  • Kommunikation – die Fähigkeit, eigenes Denken, Lernen und Arbeiten mitzuteilen

Die 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals (SDGs)) der Vereinten Nationen lassen sich in idealer Weise mit dem kreativen Arbeitsprozess von Design Thinking im MINT-Unterricht verknüpfen. Formuliert für die nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft liefern sie den thematischen Rahmen für einen fächerübergreifenden MINT-Unterricht: Sie beschreiben Themenfelder ökonomischer, sozialer und ökologischer Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, die neben ihrer globalen Bedeutung immer auch einen starken lokalen Bezug haben. Komplexe Probleme wie sauberes Trinkwasser oder eine nachhaltige Energiegewinnung können mit Design Thinking zugänglich und erlebbar gemacht werden.

The Index Project

Die Siemens Stiftung kooperiert für die Umsetzung und Erprobung der Design-Thinking-Methode im MINT-Unterricht mit The Index Project – einer Non-Profit-Organisation mit Fokus auf Design für nachhaltige Lösungen.

„Ein hochwertiger MINT-Unterricht als essentielle Grundlage für Bildung ist inhaltlicher Fokus unserer Arbeit. Die Einbindung einer kreativen Komponente kann nicht nur die Motivation der Lernenden erhöhen, sich mit aktuellen naturwissenschaftlich-technischen Themen auseinanderzusetzen und sich selbst einzubringen. Wir möchten insbesondere auch die menschliche Fähigkeit fördern, kreativ und visionär zu denken. Schülerinnen und Schüler sollen erfahren, dass sie Ideen beitragen sowie gemeinsam Lösungen für komplexe Herausforderungen entwickeln können und damit auch unsere Gesellschaft positiv und nachhaltig mitgestalten können. In der dänischen Einrichtung The Index Project fanden wir die perfekte Partnerin, um den Zugang zu den Schülerinnen und Schülern gemeinsam mit uns zu erarbeiten und weiterzuentwickeln“, so Christine Niewöhner, Projektleiterin der Siemens Stiftung.

Design Thinking im Unterricht

The Index Project setzt mit ihrem Programm „Design to Improve Life Education" auf ein ganzheitliches und kreatives Bildungskonzept, das die gesellschaftliche Nachfrage nach bestimmten Fähigkeiten mit dem Lernbedürfnis des Individuums nachhaltig verknüpfen soll. Im Rahmen dieses Konzeptes hat die Einrichtung Leitfragen und verschiedene Tools entwickelt, die die Teams während des kreativen Prozesses im Unterricht auf Kurs halten:

  • den „Design to Improve Life”-Kompass und eng damit verknüpft
  • die „Design to Improve Life“-Parameter.

Der Kompass

Der Kompass navigiert die Lehrkräfte und Lernenden mit konkreten Übungen, Methoden und Techniken schrittweise durch vier verschiedene Design-Thinking-Phasen. Er stützt den Prozess pädagogisch-didaktisch und hilft dabei, ein Problem oder eine Herausforderung umfänglich zu erfassen, zu bearbeiten und fokussiert zu bleiben. Er fördert Neugierde, Engagement, Kreativität und innovatives Denken. Auf die einzelnen Prozessphasen wird weiter unten noch genauer eingegangen.



Jedes (Teil-)Ergebnis wird in Bezug auf Form, Wirkung und Kontext betrachtet und bewertet. Damit unterstützen diese Parameter die Teams bei der Reflexion: Ist die Form des Ergebnisses sinnvoll und umsetzbar? Ist die Wirkung relevant für die ursprüngliche Zielgruppe und wirtschaftlich, ökologisch sowie sozial nachhaltig? Wird der geografische, kulturelle und ursprüngliche Kontext der Aufgabenstellung eingehalten?

Die Iteration ist dabei ein zentrales Element des Prozesses: Die Gruppen überprüfen in den einzelnen Phasen kontinuierlich, was sie erfahren, festgehalten und entwickelt haben. Ergeben die Überprüfungen, dass die Lösung noch nicht zufriedenstellend ist, gehen alle nochmal einen Schritt zurück und bessern nach. Fehlschläge sind ausdrücklich erwünscht. Sie bringen die Teams Stück für Stück auf den richtigen Weg. Erst wenn das Ergebnis passt, geht es in die nächste Runde.


Prozessphasen im Detail

Phase 1

Vorbereiten (Prepare)

Zunächst macht die Lehrkraft ihre Schülerinnen und Schüler mit dem Konzept vertraut. Projektteams werden gebildet, Rollen und Verantwortlichkeiten innerhalb eines Teams verteilt. Jede Gruppe wählt ein Problem, für das sie eine Lösung entwerfen möchte. Am Ende der Vorbereitungsphase haben alle die konkrete Herausforderung und die Aufgabenstellung skizziert: Warum und wie treten die Probleme auf, wer ist in welcher Form betroffen, welche Aspekte und Entwicklungen stehen im Kontext dazu? Alle Argumente und Sichtweisen sind aufgenommen.

Phase 2

Verstehen (Perceive)

Im Mittelpunkt stehen nun die Nutzer/-innen: Über welche Ressourcen verfügen sie? Was brauchen sie, was sind ihre Ängste und Sorgen? Wie sieht ihr kultureller, geografischer oder infrastruktureller Kontext aus? Jede Information ist wichtig. Die Schülerinnen und Schüler lernen in dieser Phase: Empathie entwickeln, sich die Bedürfnisse der einzelnen Menschen vor Augen führen, deren Perspektive einnehmen und aus dieser heraus argumentieren. Das Ergebnis: möglichst konkrete Profile der Nutzerinnen und Nutzer, mit denen sich die Gruppe identifizieren kann und die sich strukturieren oder priorisieren lassen.

Phase 3

Prototypen bauen (Prototype)

Die Design-Thinking-Teams beginnen die Runde der Ideensammlung und ersten Umsetzung. Alles ist erlaubt. Basierend auf den bisherigen Ergebnissen sind den Vorschlägen in Sachen Kreativität, Vielfalt und Offenheit keine Grenzen gesetzt. Mit einer Auswahl an Ideen gehen die Schülerinnen und Schüler in die nächste Ausbaustufe. Sie visualisieren die Lösungsansätze zum Beispiel anhand von Modellen und Skizzen, wie ein Designer. Sie teilen die Prototypen mit den anderen Teams und stellen sie zur Diskussion.

Phase 4

Umsetzen (Produce)

Alles Erlernte und Erfahrene fließt in eine Präsentation über den gesamten Prozess ein. Jeder einzelne Schritt wird festgehalten, vorgetragen und von den Mitschülerinnen und Mitschülern und der Lehrkraft nochmals kritisch überprüft. Wie nach jeder Phase steht die Verbesserung im Vordergrund (iterativer Prozess): Weist das Ergebnis Lücken oder Unstimmigkeiten in Bezug auf die festgelegten Parameter auf, kann dies sogar zu einem Neuanfang führen – solange bis die Vorschläge optimal und fundiert zu einer Problemlösung führen.

Über die Autorinnen

Charlotte Høeg Andersen verantwortet das Bildungsprogramm von The Index Project. Sie war über 15 Jahre in der Designindustrie tätig, hat Designprozesse geleitet und Designstrategien für Unternehmen, Organisationen sowie öffentliche Einrichtungen entwickelt. Sie engagiert sich leidenschaftlich für Design Thinking und verfügt über langjährige Erfahrung in der Vermittlung von Design- und Innovationsprozessen. Seit vielen Jahren arbeitet Charlotte Høeg Andersen mit Schulen und kommunalen Bildungseinrichtungen in Dänemark zusammen, um innovative Gestaltungsmethoden als festen Bestandteil im Lehrplan zu integrieren. The Index Project ist eine dänische Non-Profit-Organisation mit dem Fokus auf Design für nachhaltige Lösungen weltweit.
The Index Project

Christine Niewöhner verantwortet das Thema „MINT & Kreativität“ in der Siemens Stiftung und leitet das Projekt „Design Thinking in MINT“, welches naturwissenschaftliche Bildung mit kreativen Prozessen verknüpft und damit junge Menschen ganzheitlich fördert. Sie ist davon überzeugt, dass Kreativität sowohl für die persönliche Entwicklung als auch für die Bewältigung zukünftiger Herausforderungen essenziell ist. Das Projekt wird aktuell an Schulen in Südafrika und Chile durchgeführt und in weiteren Ländern in Afrika, Lateinamerika sowie in Deutschland fortgesetzt.

Medien für den Einsatz der Methode

Die von The Index Project entwickelte Lehrerhandreichung führt in die Methodik von Design Thinking und das Konzept von „Design to Improve Life“ ein. Sie vermittelt Lehrkräften die didaktischen Grundlagen und stellt den kreativen Prozess in den einzelnen Designphasen detailliert vor. Zahlreiche konkrete Übungen und Techniken ermöglichen den sofortigen und modularen Einsatz im Klassenzimmer. Die Handreichung kann Lehrkräften gleichzeitig als Logbuch dienen: für Reflexionen, Erfahrungen und weitere Ideen sowie die Dokumentation des Projektfortschritts und der Lernerfahrungen ihrer Schülerinnen und Schüler.

Handreichung für Lehrkräfte (Englisch)

Praxisbeispiel

Video: „Design Thinking in STEM – Impressions of a Teachers Workshop”

Das Pilotprojekt zur Implementierung von Design Thinking in den MINT-Fächern startete 2019 in Südafrika mit Lehrkräften aus Afrika, Lateinamerika und Deutschland. Das Video fängt ihre Eindrücke und Erfahrungen ein.



Praxisbeispiel

Video: „Mit Design Thinking die Nachhaltigkeitsziele (SDGs) in den MINT-Unterricht integrieren“

Beim Auftaktworkshop für Design Thinking in Chile im Dezember 2019 stand der Einsatz der Methode in Verbindung mit Nachhaltigkeitsthemen im Fokus. Ob und wie dies gelingt – darüber berichten Lehrkräfte, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Video.



Quellenangaben und Hintergründe zum Thema Design Thinking

Verweise aus dem Text

The Index Project
https://theindexproject.org/

21st Century Skills
http://www.ibe.unesco.org/en/glossary-curriculum-terminology/t/twenty-first-century-skills

Die 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals (SDGs)) der Vereinten Nationen
https://sdg-portal.de/

Heskett, J. (2005): Design – A Very Short Introduction. Oxford University Press, New York.
Verfügbar unter: https://books.google.de/books?id=5hxqRkf4znkC [15.06.2020].

Projektseite zu Design Thinking auf der Website der Siemens Stiftung
https://www.siemens-stiftung.org/projekte/design-thinking-in-mint/


Weiterführende Links

HOPP FOUNDATION: „Design Thinking und Schule - Das Handbuch für den Schulalltag“
Das Handbuch richtet sich an alle Lehrenden, die Design-Thinking-Elemente selbstständig in ihren Schulalltag etablieren wollen. Es enthält Definitionen, Beispiele, Praxisübungen und konkrete Unterrichtskonzepte, die in enger Zusammenarbeit mit Pädagoginnen und Pädagogen entstanden sind. Begleitmaterial wie Methodenkarten und Arbeitsblätter ergänzen das Buch und erleichtern damit den Einstieg.

HPI School of Design Thinking „Neu denken, anders arbeiten“
Auf der Website erhalten Sie einen umfassenden Einblick in die Geschichte der d.schools an der Stanford University und an der Universität Potsdam sowie Projektbeispiele, Hintergründe und Materialien.

David M. Kelley, Professor an der Stanford University sowie Gründer und Chairman von IDEO, gilt als Namensgeber und einer der Wegbereiter für Design Thinking – einer Methode, die Innovationen fördert.

Kontaktieren Sie uns gerne für weitere Informationen:
medienportal@siemens-stiftung.org

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