Meine Notizen zu dieser Seite:

Wachstumsprozesse und Exponentialfunktionen.

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Einen wunderschönen guten Tag und herzlich willkommen zu einer neuen Folge, in der wir über Mathematik reden. Wir widmen diese Folge der Betrachtung von Funktionen oder – konkret gesprochen – Wachstumsprozessen und Exponentialfunktionen.

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Ganz zentral werden wir uns ansehen, was exponentielles Wachstum bedeutet. In letzter Zeit ist der Begriff ja durch die Corona-Pandemie auch in der breiten Öffentlichkeit bekannter geworden.

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Lassen Sie uns beginnen und betrachten, was eigentlich exponentielles Wachstum ist.

Stellen Sie sich vor, Sie sparen ganz konsequent. Am ersten Tag werfen Sie einen Cent in das Sparschwein, am zweiten Tag dann zwei Cent, am dritten Tag vier Cent, am vierten Tag acht Cent und so weiter. Jeden Tag packen Sie den doppelten Betrag des letzten Tages in Ihr Sparschwein.

Können Sie auf diese Weise Millionär werden?

Wie lange würde das wohl dauern? Geben Sie einen Tipp ab und notieren Sie ihn.

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Aber lassen Sie uns zunächst über Frau Förster und ihren Hund Lotte reden. Lotte ist ein Weimaraner und braucht viel Auslauf. Weil Frau Förster sehr wenig Zeit hat, sucht sie jemanden, der mit Lotte jeden Tag eine Stunde spazieren geht. Mara Dogwalker macht das professionell und verlangt für ihre Dienste 8 Euro in der Stunde.

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Das Nachbarsmädchen Anna würde den Job auch gerne machen. Sie möchte 10 Cent für die erste Stunde, 20 Cent für die zweite Stunde, 40 Cent für die dritte Stunde, 80 Cent für die vierte Stunde. Und so würde es weiter gehen, sie möchte in jeder neuen Stunde einfach das Doppelte der letzten Stunde verdienen.

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Frau Förster rechnet: Sie braucht die Betreuung nur fünf Tage in der Woche.

Die erste Woche kostet bei Mara Dogwalker 5 • 8 € = 40 €. „Nicht ganz billig“, denkt sich Frau Förster.

Die erste Woche kostet bei Nachbarsmädchen Anna

10 Cent + 20 Cent + 40 Cent + 80 Cent + 160 Cent = 3,10 €. Das ist deutlich billiger. Bietet Anna also den Schnäppchenpreis?

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Frau Förster denkt nun allerdings an die Zukunft und rechnet weiter:

Die ersten zwei Wochen kosten bei Mara Dogwalker 10 • 8 € = 80 €.

Bei Nachbarsmädchen Anna kosten sie 10 Cent + 20 Cent + 40 Cent + 80 Cent + 160 Cent + 320 Cent + 640 Cent + 1280 Cent + 2560 Cent + 5120 Cent = 10230 Cent = 102,30 €.

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Oh, nein. Frau Förster ist erstaunt. Das sieht nun nicht mehr nach einem Schnäppchenpreis aus.

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Aber es gibt mehr nette Menschen in der Nachbarschaft und so redet Frau Förster mit Mike. Auch Mike möchte in jeder neuen Stunde einfach das Doppelte der letzten Stunde verdienen. Er fängt aber vorsichtiger an und nimmt 1 Cent für die erste Stunde, 2 Cent für die zweite Stunde, 4 Cent für die dritte Stunde und somit 8 Cent für die vierte Stunde.

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Frau Förster prüft das Angebot und rechnet hoffnungsfroh:

Die ersten zwei Wochen kosten bei Mara Dogwalker immer noch 10 • 8 € = 80 €.

Bei Mike sind es hingegen

1 + 2 + 4 + 8 + 16 + 32 + 64 + 128 + 256 + 512 = 1023 Cent = 10,23 €.

Und dieses Mal geht Frau Förster von einem echten Schnäppchen aus.

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Aber so ganz ohne Misstrauen ist sie nicht und rechnet daher weiter:

Die ersten drei Wochen kosten bei Mara Dogwalker 15 • 8 € und das sind insgesamt 120 €.

Bei Mike soll sie für die gleiche Leistung

1 + 2 + 4 + 8 + 16 + 32 + 64 + 128 + 256 + 512 + 1024 + 2048 + 4096 + 9192 + 18384, also 36767 Cent = 367,67 € zahlen.

Das gibt es nicht, oder? Es beginnt mit einem einzelnen Cent und nach nur drei Wochen muss Frau Förster sehr kräftig ins Portemonnaie langen.

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Was steckt dahinter? Bei Mara Dogwalker ist der Rechnungsbetrag proportional zur Leistung. Mit jeder Stunde des Ausführens von Lotte steigt sie um denselben (festen) Betrag. Mathematisch sieht das so aus: Es ist f(n) = 8 • n für jede Anzahl von Stunden n. Und 8 • n das ist ja gerade 8 + 8 + 8 + usw. Wir addieren also n-mal hintereinander die 8. Jede neue Summe unterscheidet sich um diesen festen Summanden 8 von der vorherigen.

Das nennt man lineares Wachstum. Funktionen dieser Art lernt man in der Schule schon früh kennen: 2 kg Äpfel kosten doppelt so viel wie 1 kg, 3 Tafeln Schokolade kosten dreimal so viel wie eine Tafel.

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Bei Anna und Mike ist der Rechnungsbetrag nicht proportional zur Leistung. Mit jeder Stunde des Ausführens von Lotte steigt er um das Doppelte des Betrags, der zuletzt für eine Stunde verlangt wird. Das nennt man ein exponentielles Wachstum.

Bei Mike sieht das nach 10 Stunden so aus:

1 + 2 + 4 + 8 + 16 + 32 + 64 + 128 + 256 + 512 = 1023.

Man kann das auch mit Hilfe von Potenzen schreiben:

20 + 21 + 22 + 23 + 24 + 25 + 26 + 27 + 28 + 29 = 210 – 1.

In diesem Fall wird also in jedem Schritt mit derselben Zahl multipliziert. Wenn diese Zahl größer als 1 ist, dann wächst das Ergebnis deutlich schneller als bei einer einfachen Addition einer positiven Zahl.

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Ganz allgemein verlangt Mike für irgendeine Anzahl n von Stunden

20 + 21 + 22 + … + 2n-1 = 2n – 1 Cent.

Die Summe ist klein für kleine Zahlen n, aber sie wächst für größere Zahlen n sehr sehr schnell.

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Muss man sich auf das Verdoppeln beschränken? Nein, selbstverständlich nicht.

Wenn jedes Mal das Dreifache verlangt wird, dann klappt es schneller mit dem guten Verdienst. Nach 10 Stunden würde es so aussehen:

1 + 3 + 9 + 27 + 81 + 243 + 729 + 2.187 + 6.561 + 19.683 = 29.524.

Auch das könnte man mit Hilfe von Potenzen schreiben:

30 + 31 + 32 + … + 39.

Aber ganz egal, wie man es schreibt, das sind dann schon bemerkenswerte 29.524 Cent oder 295,24 € für 10 Stunden Arbeit.

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Und ja, da war noch das Sparschwein. Haben. Sie einen Tipp abgegeben? Dann schauen wir einmal, was die Rechnung sagt.

Offensichtlich geht es darum, wann die Summe 20 + 21 + 22 + 23 + 23 + … usw.

größer als 100 Millionen ist (wir rechnen ja in Cent). Dafür gibt es Tabellen und man findet, dass 227 = 134.217.728 ist. Also klappt es bereits am Tag 28 mit der Million.

Einziges Problem: Auch ein dickes Sparschwein dürfte lang vorher geplatzt sein.

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[Münzen fallen auf den Boden]

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Das war es für heute. Schön, dass Sie dabei waren. Haben Sie vielen Dank für Ihr Interesse und bleiben Sie vorsichtig, wenn es um ein allzu schnelles Wachstum geht.

Aber warten Sie noch einen Moment. Wenn Sie nicht mit dem traurigen Anblick des Sparschweins aufhören möchten, dann darf ich Sie zu einem Special einladen. Willkommen sind dabei alle, die an etwas mehr Mathematik interessiert sind.

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Sie erinnern sich? Wir haben im Verlauf der Folge genutzt, dass die Summe der Zweierpotenzen von 20 bis 29 gerade 210 - 1 ist. Das kann man mit Hilfe der vollständigen Induktion beweisen.

Wir möchten ganz allgemein zeigen, dass die Summe der ersten n Potenzen von 2 – mit Beginn bei 0 und Ende bei n-1 – gerade 2n - 1 ist. Das ist die Behauptung.

Die Summe über alle 2i von i = 0 bis i = n-1 ist gleich 2n – 1.

Beim Induktionsanfang setzen wir n = 1 und prüfen, ob die Behauptung stimmt. Es ist in diesem Fall n-1 = 1-1 = 0. Nun ist 20 = 1 = 2 -1 = 21 – 1. Das stimmt offensichtlich.

Probieren wir es – auch wenn das eigentlich unnötig ist – mit n = 2, also n-1 = 1. Es ist 20 + 21 = 1 + 2 = 3 = 4 -1 = 22 - 1. Das klappt also auch in diesem Fall.

Damit wir nicht alle natürlichen Zahlen durchprobieren müssen, bietet sich nun ein allgemeines Verfahren an, die vollständige Induktion.

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Wir nehmen jetzt an, dass die Behauptung für eine natürliche Zahl gilt.

Es gilt also – so unsere Annahme – 20 + 21 + 22 + … + 2m-1 = Summe 2i über alle i von 0 bis m-1 ist gleich 2m - 1.

Das dürfen wir, denn für ein ganz bestimmtes m – und das war hier m = 1 – haben wir es bereits gezeigt. Können wir nun von der Gültigkeit der Behauptung für ein beliebiges (aber festes) m auf die Gültigkeit für m+1 schließen, dann haben wir alles gezeigt. Aus der bereits gezeigten Gültigkeit für m = 1 folgt dann die Gültigkeit für m = 1+1 = 2, daraus die Gültigkeit für m = 2+1 = 3 usw.

Man nennt den hier notwendigen Schritt den Induktionsschluss von m auf m+1. Er ist der Kern der Argumentation.

In diesem Fall ist dieser Schritt nicht schwer und geht so:

Die Summe über alle 2i für i von 0 bis m-1 ist gerade 2m – 1 und das folgt aus der Induktionsbehauptung. Also ist die Summe über alle 2i für i von 0 bis m dann 2m – 1 + 2m. Nun ist 2m – 1 + 2m gerade 2 • 2m – 1, was wiederum gleich 2m+1 – 1 ist.

Genau das war zu beweisen.

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Und damit sind wir nun endgültig für heute fertig. Bis bald!

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