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Was ist eigentlich Stochastik? Die etwas andere Mathematik.

3          Was ist eigentlich Stochastik? Die etwas andere Mathematik.

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Was ist eigentlich Stochastik? Falls Sie das schon immer einmal wissen wollten, sind Sie hier genau richtig.

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Der Begriff Stochastik leitet sich vom griechischen Wort „stochasmos“ ab und das bedeutet „Vermutung“. Die Stochastik umfasst zwei Teilgebiete und eine wichtige Säule.

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Und – entgegen mancher Vermutung – weder die Teilgebiete noch die Säule sind mystisch. Lassen Sie sich überzeugen.

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Teilgebiet Nr. 1 ist die Wahrscheinlichkeitsrechnung.

In der Wahrscheinlichkeitsrechnung geht es darum, geeignete Modelle für den Zufall zu generieren und zu nutzen. Modellieren ist ein Kern der Mathematik … also ist dies ein grundsolider Baustein der Stochastik.

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Teilgebiet Nr. 2 ist die Statistik. Hier stehen das Messen, also die Erhebung von Daten, und die geeignete Darstellung von Daten im Vordergrund. Wenn man das ehrlich macht, dann ist das ganz sicher ein grundsolider Baustein der Stochastik.

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Schließlich ist die Kombinatorik eine Säule der Stochastik. In der Kombinatorik wird gezählt, vermutet wird gar nichts. Sie ist eine wichtige und grundsolide Säule der Stochastik. Die Kombinatorik gehört übrigens in den Bildungsstandards zur Leitidee „Zahl“ und damit ist sie tatsächlich eine Säule und kein Teilgebiet.

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Reden wir kurz über die Entwicklung der Stochastik. Nein, das soll keine historische Aufarbeitung im Schnellverfahren werden. Aber es ist doch durchaus interessant, dass es bereits im Altertum Anfänge der Beschäftigung mit dem Gebiet gab, die im Wesentlichen auf das bereits damals beliebte Glücksspiel zurückgehen.

Schwierig war allerdings, dass Wahrscheinlichkeit ohne Experimente nicht denkbar ist. Die Wissenschaft in der Antike basierte hingegen vollständig auf logischer Argumentation. Insbesondere die Mathematik zeichnete sich durch diesen Ansatz aus, der Experimente ausschloss.

Sie erinnern sich, dass das Volumen eines Zylinders mit Radius und Höhe r, einer Halbkugel mit Radius r sowie eines Kreiskegels mit Radius und Höhe r im Verhältnis 3:2:1 stehen? Das Volumen des Zylinders ist Grundfläche x Höhe, also πr2•r = πr3. Das Volumen der Halbkugel ist 2/3•πr3. Das Volumen des Kegels ist 1/3•πr3. In Schulbüchern findet man da auch einmal eine Waage, durch die das Verhältnis experimentell bestätigt wird. Völlig undenkbar in der Antike.

 

 

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Genauso interessant ist sicherlich, dass im 16. Jahrhundert durch Gerolamo Cardano und sein Buch Liber de Ludo Aleae, also dem Buch vom Würfelspiel, eine systematische Beschäftigung mit Wahrscheinlichkeit und Kombinatorik belegt ist.

Das ist übrigens genau der Wissenschaftler, der beim Lösen von Gleichungen dritter Ordnung als erster komplexe Zahlen ins Spiel brachte.

Ein Briefwechsel zwischen Blaise Pascal und Pierre de Fermat im 17. Jahrhundert gilt ansonsten als Geburtsstunde der neueren Stochastik.

Letztendlich war es der Russe Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow, der – allerdings erst 1933 – durch sein Axiomensystem der Wahrscheinlichkeit den „mathematischen Durchbruch“ eingeleitet hat. 

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Natürlich gibt es auch Probleme mit der Stochastik, gerade dann, wenn man sie lernen soll. Wir wollen im Folgenden drei Aspekte betrachten.

Zunächst reden wir über die Notwendigkeit von Experimenten, ohne die Stochastik nicht funktionieren kann.

Dann gehen wir auf die Intuition ein, die auch bei Erwachsenen nicht selten der mathematischen Realität widerspricht.

Schließlich werfen wir einen kurzen Blick auf so genannte Fehlvorstellungen. Gerade bei Kindern gibt es ganz spezifische Ideen zur Stochastik, die leider nicht immer korrekt sind. Damit befasst sich durchaus erfolgreich die mathematikdidaktische Forschung.

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Betrachten wir ein Beispiel.

Beim Lotto wird jedes Mal eine Superzahl zwischen 0 und 9 gezogen. Nun war es bei drei Ziehungen in Folge die 4 diese Zahl. Mit welcher Wahrscheinlichkeit ist die Zahl 4 auch bei der nächsten Ziehung wieder die Superzahl? 

Was meinen Sie? Lassen Sie sich das kurz durch den Kopf gehen.

Nun ja, der Zufall hat kein Gedächtnis. Die Wahrscheinlichkeit ist und bleibt für jede Zahl und jede Ziehung 1/10.

Nicht selten gibt es allerdings fehlerhafte Vorstellungen. Und es ist spannend, dass sie in beide Richtungen vorliegen können. Die meisten Befragten schätzen die Wahrscheinlichkeit für eine 4 bei der nächsten Ziehung niedriger im Vergleich zu den anderen Zahlen ein („da sie ja erst bei den drei letzten Ziehungen kam“).

Manche argumentieren aber auch, dass sie höher ist („da diese Zahl besonders oft gezogen wird“). Die Ergebnisse stammen übrigens aus einer mathematikdidaktischen Studie von Efraim Fischbein und Ditza Schnarch aus dem Jahr 1997. 

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Noch einmal: Der Zufall hat kein Gedächtnis. Hier geht es um einen Beitrag aus dem Magazin der Süddeutschen Zeitung. Eine Leserin bzw. ein Leser spielt seit Jahren in einer Tippgemeinschaft mit denselben Zahlen. Und manchmal werden die Zahlen auch am Mittwoch benutzt.

Das Problem: Muss sie oder er von einem eventuellen großen Gewinn am Mittwoch etwas an die Tippgemeinschaft abgeben.

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Die Antwort ist genial, aber vor allem dieser Teil aus Sicht der Mathematik einwandfrei (wobei hier eine Journalistin und keine Mathematikerin antwortet): „Es ist, das verspreche ich Ihnen und übernehme für die folgende Aussage auch die volle Verantwortung, dem Mittwoch völlig egal, auf welche Zahlen Sie am Samstag tippen.“

Genau so ist es. Ich wiederhole mich: Der Zufall hat wirklich kein Gedächtnis.

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Es wurde 100 Mal gewürfelt. Welches Diagramm zeigt Ihrer Meinung nach tatsächlich ein ehrlich erwürfeltes und damit zufällig erzeugtes Ergebnis?

Das rechte Diagramm wirkt verführerisch, tatsächlich aber ist aber das linke Diagramm Ergebnis eines realen Würfelns. Vielleicht erinnern Sie sich daran aus dem ersten Teil dieses Geredes über Mathematik.

Das Diagramm auf der rechten Seite habe ich mir ausgedacht. Das heißt natürlich nicht, dass genau diese Würfe nicht real auftreten könnten. Allerdings neigen wir dazu, Ergebnisse als wahrscheinlicher zu betrachten, die dichter an einer Art Mittelwert liegen. Aber auch das ist dem Zufall prinzipiell gleichgültig.

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Was wir gerade gesehen haben, das sind Fehlvorstellungen über wiederholte Experimente.

Man unterscheidet weitere, etwa Probleme bei der Identifikation strukturgleicher Experimente: Die Wahrscheinlichkeit für drei Fünfen beim gleichzeitigen Werfen von drei Würfeln oder dreimaligen Werfen eines Würfels ist gleich.

Es gibt auch typische Fehlvorstellungen über zusammengesetzte Experimente. Betrachten wir auch hier ein Beispiel: Person M trägt jeden Tag Lippenstift. Was ist wahrscheinlicher? „Person M spielt Trompete.“ oder „Person M ist eine Frau, die Trompete spielt.“?

Ja, „Frau“ ist hier eine Einschränkung, die plausibel ist. Es ist aber eine Einschränkung im Vergleich zum einfachen Trompetenspiel, sodass die Wahrscheinlichkeit für „Person M spielt Trompete“ größer ist.

Wir werden hier zweimal auf die falsche Fährte geführt. Zum einen gibt es eher wenige Menschen, die Trompete spielen, zum anderen dürften die meisten Menschen, die Lippenstift benutzen Frauen sein. Das zusammengesetzte Experiment ist etwas anderes als die Summe seiner Teile.

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Es gibt dazu spannende mathematikdidaktische Forschung. Und sie zeigt, dass manchmal im Laufe der Zeit richtig dazu gelernt wird.

Betrachten wir diese Aufgabe; Peter hat eine Münze dreimal geworfen und jedes Mal Kopf erhalten. Er wirft ein weiteres Mal. Die Wahrscheinlichkeit, nun noch einmal Kopf zu werfen, ist

  1. kleiner als
  2. größer als
  3. genauso groß wie

 die Wahrscheinlichkeit, Zahl zu werfen.

Hier sind es nur knapp die Hälfte der Kinder in Klasse 5, die das richtig beurteilen. Hingegen können in Klasse 11 sowie auf Universitätsniveau fast alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser empirischen Studie die Frage korrekt beantworten.

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Ein wenig anders sieht es bei dieser Aufgabe aus: Zwei Würfel werden gleichzeitig geworfen. Was ist wahrscheinlicher?

  1. a) das Paar 5-6 zu würfeln
    b) das Paar 6-6 zu würfeln
    c) beides ist gleichwahrscheinlich

In Klasse 5 sind es 15% der Kinder, die eine richtige Lösung angeben, in Klasse 11 ist es ein Viertel und auf Universitätsniveau kaum noch eine Person. Wir müssen die Zahlen nicht im Detail hinterfragen, aber sie zeigen die klare Tendenz, dass eine solche Aufgabe für viele Versuchspersonen schwierig ist und bleibt.

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Lasen Sie uns zum Ende noch die Animistische Vorstellung betrachten. Hier vermuten Kinder, dass Wesen mit personalen Eigenschaften den Ausgang eines Experiments vorher kennen (und evtl. „verraten“), beeinflussen (z. B. auf eine Bitte hin), oder im Sinne eines Mitspielers oder Gegners mitbeeinflussen.

Die Frage ist hier: Gibt es ein Wesen im Würfel, dass dafür sorgt, dass die „6“ fällt?

Klar, als Erwachsene wissen wird’s, dass das ganz bestimmt nicht der Fall ist. Aber manchmal wäre das ganz praktisch, oder?

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Das waren ein paar Ideen zur Stochastik und zu damit verbundenen Fehlvorstellungen. Es gibt mehr, keine Frage, aber ich hoffe, Sie haben einen ersten Einblick bekommen. Haben Sie vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

 

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