8 Vom Zählen zur Wahrscheinlichkeit. Die wichtige Rolle der Kombinatorik.
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Ein herzliches Willkommen an alle. Lassen Sie uns wieder über Mathematik sprechen. Heute werden wir über eine Einführung in das mathematische Konzept der Wahrscheinlichkeit sprechen. Insbesondere werden wir sehen, wie Kombinatorik und Wahrscheinlichkeit miteinander verbunden werden können. Wir werden aber auch ein Beispiel sehen, wo dies prinzipiell nicht möglich ist und wir uns auf das konkrete Experiment verlassen müssen.
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Stellen wir ein paar Überlegungen zur Entwicklung des Wahrscheinlichkeitsbegriffs an. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Zufallsexperimenten. Wie der Name schon sagt, ist das Ergebnis eines solchen Experiments nicht vorhersehbar. Wenn wir eine Münze oder einen Würfel werfen, kennen wir das Ergebnis nicht im Voraus. Wir wissen jedoch, dass nur bestimmte Ergebnisse möglich sind, z. B. Kopf oder Zahl oder eine der Zahlen 1 bis 6.
Im Detail können wir auch festlegen, woran wir interessiert sind. Es gibt z. B. Spiele, bei denen es nur darum geht, ob eine "6" auftaucht oder nicht. „Mensch ärgere dich nicht“ ist ein Beispiel, das Sie sicher kennen.
Wir fassen die Möglichkeiten in einer Ergebnismenge zusammen, die meist mit Ω bezeichnet wird.
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Ich weiß, manchmal löst bereits ein griechischer Buchstabe wie das im Grunde harmlose Ω Ängste aus. Schauen wir uns Beispiele an, dann wird das alles ziemlich einfach und klar.
Nehmen wir an, wir würfeln mit einem normalen Spielwürfel. Dann können wir uns dafür interessieren, welche der Zahlen zwischen 1 und 6 auftaucht. Unsere Menge Ω1 würde dann genau diese Zahlen umfassen.
Betrachten wir noch einmal „Mensch ärgere dich nicht“. Hier sind zu Beginn zwei Ergebnisse von Interesse, nämlich "6" oder "eine andere Zahl". Sie können die Möglichkeiten in der Menge Ω2 sehen.
Und natürlich könnte es auch sein, dass man eine ungerade oder eine gerade Zahl werfen möchte. Dieses Beispiel ist in der Menge Ω3 zu sehen.
Auch wenn das abstrakt aussieht, es gibt eine wichtige Konsequenz. Im ersten Beispiel haben wir sechs Möglichkeiten, die auf lange Sicht alle gleich oft vorkommen sollten. Im zweiten Beispiel gibt es zwei Möglichkeiten, von denen eine deutlich wahrscheinlicher ist. Fragen Sie die Kinder danach! Und im dritten Beispiel gibt es auch nur zwei Möglichkeiten, die aber gerecht verteilt sein sollten.
Im Prinzip ist es egal, ob eine Münze geworfen wird oder eine Kugel aus einer Urne kommt. Es ist immer möglich zu definieren, welche Ergebnisse in einer bestimmten Situation interessant sind.
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Auch ein Fußballspiel ist ein Zufallsexperiment. Es gibt drei mögliche Ergebnisse, nämlich Mannschaft 1 gewinnt, Mannschaft 2 gewinnt oder die Mannschaften spielen unentschieden. Sagen Sie mir nicht, dass das nicht auch auf Teams wie Bayern München oder Real Madrid zutrifft. Auch sie haben immer einmal wieder gegen scheinbar harmlose Gegner unerwartet verloren. Wie langweilig wäre der Fußball ohne diese Möglichkeit.
Auch hier zeigt sich die Grundidee des Zufallsexperiments: Es gibt vorher bekannte, eindeutige Ergebnisse. Welches davon eintritt, kann jedoch nicht beeinflusst werden und ist vor der Durchführung nicht bekannt.
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Was verstehen wir unter Wahrscheinlichkeit? Lassen Sie uns versuchen, eine Antwort zu geben, und hören wir dazu Paul und Lisa zu. Wir betrachten drei Situationen, in denen sie über Wahrscheinliches sprechen.
Lisas Schwester wollte heute Nachmittag vorbeikommen. Jetzt ist es fast 18 Uhr und sie ist noch nicht da. „Wahrscheinlich hat sie die Verabredung vergessen,“ meint Paul.
„Lass uns ohne sie essen und eine Münze werfen, wer den Abwasch macht,“ schlägt Lisa vor. „Immerhin habe ich dann eine 50%ige Chance, es nicht tun zu müssen.“
„Ich habe hier eine Reißzwecke,“ sagt Paul. „Nehmen wir die. Wenn sie auf der Seite landet, dann wasche ich ab, sonst du.“
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In der ersten Situation geht es um eine Vermutung. Mathematisch kann man Lisas Schwester eher nicht in den Griff bekommen, denn die Gründe für ihr Fernbleiben sind vielfältig und prinzipiell kaum abschätzbar.
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Die zweite Situation ist einfach. Man kann theoretisch annehmen, dass eine Münze mit gleicher Chance nach dem Werfen „Kopf“ oder „Zahl“ zeigt. Und statt „Chance“ spricht man von „Wahrscheinlichkeit“.
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Auch die dritte Situation ist nicht kompliziert. Eine Reißzwecke kann auf den Kopf oder die Seite fallen und dafür muss man experimentell die Häufigkeiten bestimmen. Es gibt allerdings keine theoretische Annahme für das Ergebnis, aber die Situation ist prinzipiell überschaubar und für den mathematischen Begriff der Wahrscheinlichkeit geeignet.
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Abzählverfahren der Kombinatorik sind wichtige Hilfsmittel bei der Bestimmung von Wahrscheinlichkeiten.
Lassen Sie uns anhand von Beispielen betrachten, wie zwischen Zählen und Wahrscheinlichkeit gezielt vermittelt werden kann. Auch dieses Mal ziehen wir zunächst Kugeln verschiedener Farben aus einer Urne.
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Wir experimentieren mit verschiedenen Urnen immer mit derselben Methode: Wir nehmen eine Kugel heraus, notieren die Farbe, legen sie zurück und ziehen noch einmal. In Urne 1 befinden sich zwei Kugeln, eine blaue und eine rote. In Urne 2 befinden sich zwei blaue Kugeln und zwei rote Kugeln. In Urne 3 befinden sich drei blaue und zwei rote Kugeln.
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Urne 1 ist ganz einfach und im Prinzip gibt es drei mögliche Ergebnisse: Man kann zwei rote Kugeln, zwei blaue Kugeln oder eine rote und eine blaue Kugel ziehen.
ABER: Für den dritten Fall gibt es zwei Möglichkeiten, also erst rot und dann blau oder erst blau und dann rot. Für die beiden anderen Fälle gibt es jeweils nur eine Möglichkeit von den insgesamt vier Möglichkeiten.
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Offensichtlich können wir von diesen kombinatorischen Überlegungen zum Begriff der Wahrscheinlichkeit übergehen. Wir bezeichnen sie mit "p" für "Wahrscheinlichkeit" und setzen p(zweimal rot) = ¼, p(zweimal blau) = ¼ und p(einmal blau und einmal rot) = 2/4 = ½. Das ist plausibel, oder? Wir nehmen hier an, dass beim blinden Ziehen jede Kugel die gleiche Chance hat. Anstelle von "Chance" sagen wir "Wahrscheinlichkeit".
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Schauen wir uns die Urne 2 an. Beim ersten Mal kann man eine der vier Kugeln herausnehmen. Und jetzt berücksichtigen wir nicht, dass sie nicht alle voneinander unterschieden werden können. Beim zweiten Mal ist es genauso, wir ziehen wieder eine der vier Kugeln. Dies ergibt insgesamt 4 • 4 = 16 Möglichkeiten. Viermal sind es zwei blaue Kugeln, viermal zwei rote und achtmal eine blaue und eine rote in beliebiger Reihenfolge.
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Nicht überraschend kommt man hier zu den gleichen Wahrscheinlichkeiten wie bei Urne 1. Es ist p(zweimal rot) = 4/16 = ¼, p(zweimal blau) = 4/16 = ¼, und p(einmal rot und einmal blau) = 8/16 = ½.
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Auch die letzte Urne bekommt man durch Zählen leicht in den Griff. Zur Erinnerung: Wir nehmen an, dass jede der fünf Kugeln in Urne 3 mit der gleichen Wahrscheinlichkeit gezogen wird. Wenn Sie nur zählen oder nicht strukturell denken, ändert das natürlich nichts am Ergebnis. Es gibt insgesamt 5 • 5 = 25 Möglichkeiten, wobei in 2 • 2 = 4 Fällen beide Kugeln blau sind, in 3 • 3 = 9 Fällen beide Kugeln rot sind und in 3 • 2 + 2 • 3 = 12 Fällen eine Kugel rot und eine Kugel blau ist (und hier ist es egal, in welcher Reihenfolge).
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Entsprechend werden die Wahrscheinlichkeiten auch für Urne 3 gesetzt. Es ist p(zweimal rot) = 4/25, p(zweimal blau) = 9/25 und p(einmal rot und einmal blau) = 12/25. Und alles andere würde ja dem gesunden Menschenverstand widersprechen, oder?
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Lassen Sie uns einige Fakten zusammenfassen, die in den Beispielen deutlich wurden. Das ist alles sehr einfach, wird aber nicht nur heute, sondern prinzipiell bei der Beschäftigung mit der Wahrscheinlichkeit wichtig sein.
Zunächst einmal: Wir ziehen jeweils eine rote oder eine blaue Kugel. Was auch sonst? Mit anderen Worten: Wir kennen alle möglichen Ergebnisse.
Dann könnten wir jeder Kombination von Kugeln eine theoretische Wahrscheinlichkeit zuordnen. Wir argumentieren, dass dies plausibel ist.
Schließlich haben wir mit drei verschiedenen Urnen gearbeitet. Die Versuchsanordnungen waren prinzipiell gleich, wir haben zweimal hintereinander gezogen. Die grundlegenden Möglichkeiten waren auch die gleichen, denn man konnte zwei rote Kugeln oder zwei blaue Kugeln oder eine rote und eine blaue bekommen. Die Wahrscheinlichkeiten unterschieden sich zwar, blieben aber in einer Hinsicht immer gleich:
p(zweimal blau) + p(zweimal rot) + p(einmal blau und einmal rot) = 1.
Klar, denn zusammen waren es 8 aus 8 Möglichkeiten oder 16 aus 16 Möglichkeiten oder 25 aus 25 Möglichkeiten oder allgemein n aus n Möglichkeiten. Wenn man das als Bruch schreibt, dann ist es 8/8 oder 16/16 oder 25/25 oder n/n und das ist jeweils gleich 1.
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Aber was machen wir mit den Reißzwecken? Hier gibt es keine theoretische Annahme. Also habe ich tatsächlich 1000-mal geworfen: 367-mal fiel die Reißzwecke auf die Seite, 633-mal auf den Kopf.
Und so reicht es immerhin für eine empirische Wahrscheinlichkeit: p(Kopf) = 633/1000 und p(Seite) = 367/1000.
Aber ich fürchte, das gilt nur für diese Schachtel mit Reißzwecken und meine Wurfmethode (10 Reißzwecken in einem Würfelbecher). Die Ergebnisse im Internet gaben eher eine 30%ige Chance auf "Kopf".
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Auch hier können wir zusammenfassen und kommen zu ähnlichen Grundüberlegungen wie bei den drei Urnen mit roten und blauen Kugeln.
In allen Fällen fällt der Reißnagel beim Werfen zur Seite oder auf den Kopf. Auch hier wissen wir also, was die möglichen Ergebnisse sind.
Wir können diesen beiden Ergebnissen eine Wahrscheinlichkeit zuordnen, hier wurde sie empirisch ermittelt.
Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Wahrscheinlichkeit mit weiteren Würfen gefestigt werden würde oder nicht. Immer gilt:
p(Seite) + p(Kopf) = 1.
Und das funktioniert natürlich für beliebige 1000 Würfe.
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Das war es für heute. Danke, dass Sie dabei waren, und bis zum nächsten Mal.
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